Digitale InfrastrukturNeue Gigabitstrategie, neues Glück

Mit einem Maßnahmenpaket will Digitalminister Volker Wissing Deutschlands digitale Infrastruktur bis 2030 vollständig modernisieren. Zu einer fertigen Gigabitstrategie hat es noch nicht gereicht, aber immerhin stehen nun deren Eckpunkte fest. Ob dies gelingt, hängt zu einem guten Teil von den Ländern ab.

Vorstellung von Grundlagen der Gigabitstrategie der deutschen Bundesregierung bei einem Branchendialog mit Vertreterinnen und Vertretern der Telekommunikationsbranche und Verbänden - Dr. Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr
Der Digitalminister Volker Wissing (FDP) will bis 2030 Glasfaser und 5G-Mobilfunk für alle schaffen. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Chris Emil Janßen

Keine deutsche Bundesregierung ohne neue Breitbandstrategie. Rund hundert Tage nach Amtsantritt hat heute Volker Wissing (FDP), Bundesminister für Digitales und Verkehr, seine Eckpunkte dafür vorgestellt. Bis zur Sommerpause soll daraus eine Gigabitstrategie entstehen, die als „zentraler Kompass“ für den Ausbau digitaler Infrastruktur dienen soll.

Bis 2030 soll jedes Haus in Deutschland an ein Glasfasernetz angeschlossen und der neueste Mobilfunkstandard möglichst flächendeckend ausgerollt sein, sagte Wissing heute bei einer Pressekonferenz. Gelingen soll das mit Hilfe vereinfachter Verfahren, alternativen Verlegetechniken und einer „optimierten Förderung“ des Glasfaserausbaus, sagte Wissing.

Wer sich an die Strategien vergangener Bundesregierungen erinnert fühlt, liegt nicht ganz falsch.

Länder sind Zünglein an der Waage

Vor allem ist der Bund aber auf die Kooperation der Länder angewiesen. So sollen Bau- und Standortgenehmigungen dramatisch vereinfacht werden, die Aufstellung von Mobilfunkmasten soll gar ohne Vorab-Genehmigungen möglich sein, wünscht sich Wissing. Auch Verlegetechniken wie Micro-Trenching oder oberirdisch gelegte Leitungen sollen verstärkt zum Zug kommen. „Wir brauchen die Unterstützung der Länder“, sagte Wissing. So seien etwa im Baurecht Gesetzesänderungen notwendig, die allerdings nur auf Länderebene auf den Weg gebracht werden können.

Die offenen Fragen sollen bis Jahresende mit den Ländern geklärt werden. Fest steht lauf Wissing aber: „Offene rechtliche Fragen dürfen den Ausbau nicht behindern“. Begleiten soll diesen Prozess ein neuer Bund­-Länder-­Ausschuss auf Staatssekretärsebene, der sich vier Mal im Jahr treffen wird. Zudem soll es einen „institutionalisierten Branchendialog“ mit den Netzbetreibern geben, was an die Netzallianz vergangener Tage erinnert.

Attraktiveres Betreibermodell

Auf Bundesebene besteht indes noch Handlungsspielraum. So soll die Antragstellung künftig vollständig digitalisiert werden. Auch das langwierige und teure Markterkundungsverfahren, das ausbauwillige Kommunen vor einer staatlichen Förderung durchlaufen müssen, soll zurückgefahren werden. Die Anzahl solcher Prüfungen, ob in einem Gebiet privat ausgebaut wird, soll „deutlich in der Zahl reduziert werden“, sagte Wissing.

Eine Aufwertung könnte das sogenannte Betreibermodell erfahren. Dieser Förderansatz subventioniert im Unterschied zum in der Förderpraxis deutlich beliebteren Wirtschaftlichkeitslückenmodell in der Regel nicht Netzbetreiber, sondern gibt kommunalen Unternehmen die Mittel in die Hand, die Infrastruktur regional selbst auszubauen und zu verpachten. Durch vereinfachte Musterverträge und parallel laufende Ausschreibungen soll dessen Attraktivität gesteigert werden. Der Fokus soll aber weiter auf privatwirtschaftlichem Ausbau liegen, sagte Wissing auf Nachfrage.


Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft bleibt erhalten

Den Nachholbedarf bei der Mobilfunkinfrastruktur soll letztlich ein „Gesamtkonzept“ der Bundesnetzagentur aus der Welt schaffen – das die Behörde allerdings noch erarbeiten muss. Die in der Vergangenheit umstrittene Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft bleibt erhalten. Diese soll sich künftig auf ihr „Kerngeschäft“ konzentrieren, so Wissing. Vor allem bedeutet dies, das Mobilfunkförderprogramm zu administrieren und die Anbieter dabei zu unterstützen, unwirtschaftliche Gebiete auszubauen. Zudem soll jedes Bundesland eigene Ansprechpartner zur Seite gestellt bekommen, um Funklöcher schneller zu schließen.

Die Dokumentation des Ist-Zustandes wandert hingegen zur Bundesnetzagentur. Die soll ein Gigabit-Grundbuch aufbauen, das Transparenz schafft über unterversorgte Gebiete, mitnutzbare Infrastrukturen sowie über Grundstücke und Liegenschaften des Bundes, der Länder und Kommunen.

„Wir wollen möglichst viele Daten im Gigabit-Grundbuch bereitstellen“, sagte der neu bestellte Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller. Der langjährige Verbraucherschützer sieht einen „gemeinsamen Geist“: Alle könnten dazu beitragen, dass sich die digitale Infrastruktur Deutschlands künftig verbessert. Seine Behörde werde nun den Dialog unterstützen, allerdings weiter als Schiedsrichter oder Wächter auftreten.

Er denke aber auch schon an die Zukunft, denn die nächste Frequenzvergabe für den Mobilfunk steht vor der Tür. Ob die Nutzungsrechte, wie in der Vergangenheit, wieder über eine Auktion versteigert werden, bleibt vorläufig offen: „Das Konsultationsverfahren läuft und soll transparent sein“, sagte Müller.

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